– Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Gäste,
ich hatte große Ehrfurcht, erstmals Teil eines Untersuchungsausschusses zu sein. Dieser kann Zeug*innen vernehmen und Sachverständige laden, in einem klar normierten Verfahren nach Untersuchungsausschussgesetz. Staatsanwält*innen und Fachreferent*innen unterstützen dabei. Ich habe mich also auf die Arbeit dieses sehr speziellen Gremiums vorbereitet. Und dann… kam ich in den ersten von der AfD beantragten Corona-Untersuchungsausschuss …und dann auch in den zweiten.
Und musste ernüchtert feststellen, dass dieses scharfe Schwert der Opposition flapsig ausgenutzt wurde als Bühne für den Wahlkampf und für Desinformation. Das ist beschämend für dieses Parlament und für all die Menschen, die unter der Pandemie gelitten haben, mit Spätfolgen leben müssen oder gar Angehörige oder Freunde verloren haben. Sie haben das Recht auf eine ernsthafte, respektvolle, wissenschaftsbasierte Aufarbeitung.
Was bekamen sie stattdessen? Ich habe die Protokolle mal durchsucht. In 11 Sitzungen finden sich an 138 Fundstellen unzulässige Fragen. Dabei sollten die Regeln nach so vielen Sitzungen eigentlich klar sein. Man muss dann schon unterstellen, dass Sie sie bewusst missachtet haben. Unzulässig waren Fragen bspw., weil sie keinen Landesbezug hatten, weil Fragen außerhalb des Untersuchungsauftrags oder des Beweisantrags lagen, weil Wiederholungsfragen, bereits beantwortete Fragen, reine Rechtsfragen, reine Abfragen von ohnehin öffentlich zugänglichen Informationen oder unzulässige Wertungen abgefragt wurden.
Statt solcher Gefechte um Formalia – wie kann eine Aufarbeitung zielgerichtet und konstruktiv stattfinden? Wie kann sie verschiedene gesellschaftliche Stimmen einbinden? Auf Bundesebene wird genau dies gerade diskutiert. In der näheren Auswahl sind eine Enquetekommission oder ein Bürger*innenrat. In jedem Fall ist die Bundesebene der richtige Ort, denn die Pandemie fand ja nicht nur in Brandenburg statt. Es geht um Vergleichbarkeit und einheitliche Standards. Zudem sind die Kompetenzen für den Infektionsschutz beim Bund angesiedelt, genauso wie die entsprechenden Institute. Ein reiner Landesblick macht daher keinen Sinn.
Ein weiterer zentraler Nachteil eines Untersuchungsausschusses: Er kann immer nur retrospektiv untersuchen bis zum Ende des Untersuchungs-zeitraums. In unserem Fall bis zum November 2022. Das heißt, alles Wissen, alle Studien und Erkenntnisse, die danach zu Tage getreten sind, konnte der Ausschuss nicht berücksichtigen. Geschweige denn, dass er Vorschläge zum Umgang mit möglichen Pandemien in der Zukunft diskutieren könnte. Er bleibt in einem Kleinklein von Verfahrensfragen mit dem begrenzten Wissensstand von vor ein paar Jahren stecken. Wir mussten uns immer in den jeweiligen Wissensstand zum damaligen Zeitpunkt zurückversetzen. Denn genau mit diesem Wissensstand mussten Entscheidungen damals getroffen werden. Für eine nach vorn gerichtete Aufarbeitung führt das aber nicht weiter. In einer Enquetekommission oder einem Bürger*innenrat hingegen kann breit diskutiert werden – mit der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft oder aber unter Einbezug eines Querschnitts der Bevölkerung.
Zum Schluss möchte ich zwei wiederkehrenden Behauptungen der AfD entgegentreten. Nämlich erstens, dass die Bevölkerung die Corona-Maßnahmen nicht mitgetragen hätte. Ja, 8 Prozent bis maximal 31 Prozent lehnten zwischen 2020 und 2023 die Corona-Maßnahmen als zu weitgehend ab. Im Durchschnitt um die 20 Prozent, wie der Deutschlandtrend belegt. Das bedeutet aber eben auch, dass der Rest – also der weit überwiegende Teil der Bevölkerung – die Maßnahmen als angemessen oder sogar als nicht weitgehend genug einschätzte. Und dennoch gilt es die Kritik der 20 Prozent ernst zu nehmen. Aber eben auch nicht zu verzerren und zu übertreiben.
Und zweitens: Sie behaupten gebetsmühlenartig, Kritik an den Maßnahmen sei nicht möglich. Man muss doch nur aufmerksam die Medien verfolgen. Kritik fand und findet statt. Auch Selbstkritik. Der Bundesgesundheitsminister und Landespolitiker*innen haben gerade in der Retrospektive einzelne Maßnahmen kritisch bewertet, v.a. die Kita- und Schulschließungen. Vieles hat sich aber eben auch bewährt. Und letztlich hat sich auch unser Rechtsstaat bewährt: So manches wurde beklagt, in einigen Fällen gaben Gerichte den Kläger*innen Recht und korrigierten Entscheidungen. Der weit überwiegende Teil wurde jedoch bestätigt. Lassen Sie uns daher eine konstruktive Debatte führen und für zukünftige Krisen lernen. Aber lassen Sie uns bitte nicht skandalisieren und spalten. Eines steht jedenfalls fest: Für eine ernsthafte und angemessene Aufarbeitung der Coronapandemie ist ein Untersuchungsausschuss absolut ungeeignet.