– Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Gäste,
stellen sie sich mal folgendes Szenario vor: wir befinden uns in einem beliebigen großen Unternehmen, im Besprechungsraum der Geschäftsführung, draußen hört man streikende Mitarbeitende protestieren. Drinnen Krisensitzung. Der Chef schwört seine Führungsriege ein, man müsse es den Gewerkschaften jetzt mal zeigen, schonungslos offenbaren, was sie sind: Blockierer, Kostenverursacher, die Arbeitsplätze auf dem Gewissen haben, Fortschrittsbremsen, Besitzstandswahrer. Er sagt: „Die entscheidende Frage sei doch: Was haben die Gewerkschaften jemals für uns getan?“ Und dann wirft eine Kollegin vorsichtig ein: Mutterschutz. Ein zweiter Kollege: Bezahlter Jahresurlaub. Ein anderer: Mitbestimmung. Und weitere: 5-Tage-Woche, Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitslosenversicherung, Altersabsicherung und letztlich schlicht: mehr Geld. Am Ende verdattertes Schweigen in der Runde, als allen klar wird, dass das gar kein revolutionäres Teufelszeug ist, sondern der ganz normale Standard in unserem Sozialstaat. Den es jedoch ohne aktive Beschäftigte so nicht geben würde.
Was ich Ihnen gerade erzählt habe, können Sie gerne selbst nachschauen, in einem ziemlich guten, viralen Video, das die australische Industriegewerkschaft mal erstellt hat und von dem es inzwischen eine deutsche Version des DGB gibt. Einfach als Suchbegriffe eingeben: „Was haben die Gewerkschaften je für uns getan?“ An dieses Video muss ich unweigerlich denken, wenn ich die Berichterstattung der letzten Wochen zum Hasso-Plattner-Institut verfolge. Und auch, wenn ich mit Beschäftigten und Gewerkschaftsvertreter*innen dazu im Gespräch bin. Sie können dabei „Gewerkschaften“ auch gerne durch „Betriebsräte“ ersetzen, denn natürlich unterstützen Gewerkschaften Betriebsräte und deren Gründung.
Ähnliche Horrorszenarien wie im Video scheint ein Betriebsrat bei der Geschäftsführung des Hasso-Plattner-Instituts auszulösen. Allein, was dessen katastrophale Folgen wären, das bleibt doch sehr im vagen. Betriebsräte seien etwas überkommenes, einengendes, hört man da.
Hasso Plattner selbst hatte sich Anfang der 2000er kritisch zu einem Betriebsrat bei SAP geäußert, nun scheint das in seiner Tradition fortgeführt zu werden. Wenn das Vorgehen systematisch erfolgt, nennt man es Union-Busting, im schlimmsten Fall kann so was auch strafbar sein. Konkret scheinen 200.000 Euro für Rechts- und Kommunikationsberatung geflossen zu sein. Viel Geld, mit dem man viel Sinnvolles für die Arbeitsbedingungen hätte tun können.
Die Geschäftsführung favorisiert ein Alternativgremium und habe wohl versprochen, dieses könne quasi alles, was auch ein Betriebsrat kann. Das Versprechen ist jedoch nicht einlösbar, denn Betriebsräte sind nicht ohne Grund gesetzlich verankert. An selbsterdachte Gremien können die allermeisten Befugnisse nicht delegiert werden. Zum Beispiel der Abschluss von Betriebsvereinbarungen oder Sozialplänen, die Anrufung der Einigungsstelle im Konfliktfall und letztlich auch der Rechtsweg.
Die Wahl ist nun vorerst nicht zustande gekommen, dem Vernehmen nach wünschten sich mindestens 80 Beschäftigte einen Betriebsrat. Warum soll ihnen das verwehrt werden? Wer sich nicht an einen Betriebsrat wenden will, muss das ja später nicht tun.
Manchmal ist man aber überrascht, wenn man einmal selbst in Konflikt kommt und auf einmal dankbar für eine unabhängige Stelle ist. Und natürlich muss man die Frage stellen, wie die Abstimmung ausgegangen wäre, wenn nicht 200.000 Euro für ein Gegennarrativ eingesetzt worden wären, wenn Plakate nicht abgerissen worden wären? Im Übrigen kann auch ein Arbeitsgericht einen Wahlvorstand bestellen, wenn eine Betriebsratswahl nicht zustande kommt.
Vorher wäre mein dringender Appell an die Geschäftsführung aber, die Ideologie vom gewerkschaftlichen Teufelszeug abzustreifen. Nicht nur, weil auch Geschäftsführer sich über bezahlten Jahresurlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall freuen dürfen, sondern, weil gute Arbeitsbedingungen auch motivierte Beschäftigte anziehen.
Gegen den Betriebsrat wird wohl auch eingewendet, er können Stipendiat*innen nicht vertreten. Und das ironischerweise am HPI, wo es bekanntermaßen ausufernde Praxis ist, Wissenschaftler*innen häufig Stipendien statt Stellen zu geben. Und nun kann man genau deswegen sagen – dann können sie ja nicht durch einen Betriebsrat vertreten werden.
Hier gilt auch: Das eine tun, das andere nicht lassen. Wir schaffen im Hochschulgesetz gerade eine Promovierendenvertretung, die auch Stipendiat*innen nutzen können. Etwas Ähnliches kann das HPI gerne auch eigeninitiativ einführen. Aber natürlich ergänzend zum Betriebsrat. Der bleibt unverzichtbar.
Mit diesem Antrag können wir zwar leider nicht für eben jenen sorgen, daher hilft eine Zustimmung leider nichts. Aber wir können mit dieser Debatte sensibilisieren und den Arbeitgeber auffordern. Für diesen Impuls danke ich den Antragsteller*innen. Und ich danke ausdrücklich den mutigen Beschäftigten am HPI, die sich für einen Betriebsrat eingesetzt haben und hoffentlich weiter einsetzen!