Juli 16, 2021 | Pressemitteilungen
Nachteile des Oder-Ausbaus für Landwirtschaft, Klima und Wasserhaushalt nicht ausblenden – Zudem droht eine Verschlechterung des Hochwasserschutzes
GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG
Sahra Damus, Mitglied des Landtags Brandenburg
Susanne Altvater, Mitglied des Kreistages Märkisch-Oderland
Zu den positiven Aussagen bezüglich des Oder-Ausbaus anlässlich eines Treffens von u.a. CDU-Parteivorsitzendem Michael Stübgen und Landrat Gernot Schmidt (SPD) mit Vertreter*innen aus der Landwirtschaft des Gewässer- und Deichverbands Oderbruch erklärt Sahra Damus, bündnisgrüne Landtagsabgeordnete aus Frankfurt (Oder):
„Wir Bündnisgrünen weisen keineswegs nur auf die gravierenden Auswirkungen des Oderausbaus auf die Natur hin. Er würde auch massive Schäden für Landwirtschaft und Tourismus bedeuten. Durch den Ausbau sinkt der Grundwasserspiegel und führt zu ausgetrockneten Böden. Das stellt gerade die Landwirtschaft vor enorme Probleme. Wir würden uns damit ins eigene Fleisch schneiden. Auch die Behauptung, der Oderausbau diene dem Hochwasserschutz, ist ein Mythos – es käme sogar zu einem Anstieg der Höchstwasserstände. Dies ergibt sich aus der Stromregelungskonzeption der Bundesanstalt für Wasserbau. Die Hochwasserwelle würde in Frankfurt (Oder) / Słubice um 15 cm höher liegen, in Hohenwutzen um 12 cm. Vertieft und verengt man die Fahrrinne, zieht man das Wasser aus der Fläche und es entstehen höhere Spitzenwerte. Die Bevölkerung wird an der Nase herumgeführt, da ihr besserer Hochwasserschutz versprochen wird, die Maßnahmen jedoch kontraproduktiv wären. Statt uns Bündnisgrünen mangelnde Kenntnis der Dokumente vorzuwerfen, würde ein Blick in eben diese Dokumente helfen. Der Hochwasserschutz ist vorgeschoben, um auf Fördermittel von Weltbank, Entwicklungsbank des Europarates und EU zugreifen zu können, denn ein Ausbau für die Güterschifffahrt ist nicht förderfähig. Michael Stübgen und Gernot Schmidt täten gut daran, sich dem Appell von Ministerpräsident Woidke anzuschließen, der gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland im Frühjahr geäußert hatte, er sei „fest davon überzeugt, dass es nicht sinnvoll ist, den Oder-Ausbau so voranzutreiben, wie es die polnische Seite plant“ und das „Tafelsilber der Deutschen Einheit, unsere reiche Naturausstattung“ geschützt werden müsse.“
Susanne Altvater, bündnisgrüne Kreistagsabgeordnete aus Märkisch-Oderland ergänzt: „Ein Transport auf dem Wasser ist keineswegs ökologischer, wenn man die massiven Eingriffe in die Natur und die klimaschädliche Wirkung einpreist. Wenn die teils vermoorten Auen trockenfallen, wird CO2 freigesetzt. Transport muss nachhaltig über die Schiene abgewickelt werden. Hier braucht es Fördermittel des Bundes und Änderungen im Bundesverkehrswegeplan. Zudem ist eine durchgängige Schiffbarkeit angesichts von Niedrigwasser und Extremwetterlagen mehr als fraglich und damit für Industrie und Landwirtschaft nicht verlässlich. In den letzten Jahren hatte die Oder mit historischen Niedrigwasserständen von ca. 1 Meter zu kämpfen. In manchen Jahren war die Oder daher bereits an der Hälfte der Tage im Jahr nicht schiffbar. Wasser schnell abfließen zu lassen, ist genau der falsche Ansatz: Wir müssen es in der Landschaft halten, damit Böden nicht austrocken. Gleichzeitig fördern wir den natürlichen Hochwasserschutz, indem wir dem Fluss wieder seinen Raum geben und das Wasser von den Überschwemmungswiesen aufgenommen wird.“
Sahra Damus resümiert: „Die Stromregelungskonzeption von 2014 ist veraltet, da sie Auswirkungen des Klimawandels wie Niedrigwasser und Extremwettersituationen nicht berücksichtigt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der geplante Ausbau nicht mit dem EU-Umweltrecht vereinbar ist und daher gestoppt werden muss. Weltbank- und EU-Mittel sind nur für Hochwasserschutz bewilligt worden, dieser entpuppt sich allerdings als vorgeschoben. Es wird ganz offen von einem Ausbau für den Güterverkehr gesprochen. Damit steht eine Zweckentfremdung der Mittel im Raum. Auf Anfrage der Grünen Europaabgeordneten Ska Keller an die zuständige Kommissarin Elisa Ferreira wird die Kommission sich die Unterlagen nun vorlegen lassen.“
Hintergrundinformationen:
Die erhöhte Hochwasserwelle ist in der Stromregelungskonzeption der Bundesanstalt für Wasserbau zu sehen in Abb. 6-80, dabei ist SRK-V5 ist die zum Ausbau ausgewählte Variante. Auf der X-Achse sind die Flusskilometer eingetragen (km 584 ist die Stadtbrücke Frankfurt (Oder)-Słubice, km 662 ist der Deich bei Hohenwutzen). Auf der Y-Achse ist die zusätzliche Erhöhung der Hochwasserwelle gegenüber der aktuellen Höhe der Hochwasserwelle zu sehen, sie erhöht sich also an diesen beiden Orten um zusätzliche 12 cm bzw. 15 cm.
Quelle: https://www.wsa-oder-havel.wsv.de/Webs/WSA/Oder-Havel/DE/Wasserstrassen/BauwerkeAnlagen/SRK_Grenzoder/BAW_Gutachten_lang_DE.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Gefahr durch sinkenden Grundwasserspiegel:
„Gleichzeitig wird auch die Zukunft der Landwirtschaft auf deutscher und polnischer Seite stark gefährdet, da die geplanten Baumaßnahmen den Grundwasserspiegel weiter absenken werden. […] Die Schutzgüter in Deutschlands einzigem Flussauen-Nationalpark, dem Nationalpark Unteres Odertal, sind durch die Ausbaupläne und die damit verbundene Absenkung des Grundwasserspiegels ebenso bedroht wie die Ziele des Bundesprogramms „Blaues Band Deutschland“, das Bundeswasserstraßen im Nebennetz ökologisch aufwerten soll (Wolter 2018, 2019; Geßner 2019). […] Ein Ausbau wird das exakte Gegenteil bewirken: Schnellerer Wasserabfluss, Tiefenerosion des Flussbettes und Absinken des Grundwasserspiegels werden zu noch schnellerer Entwässerung der Landschaft führen. Die letzten Dürrejahre haben bereits gezeigt, welcher Effekt zu erwarten ist: Selbst ohne die schnellere Abführung des wenigen Wassers wird das im Zuge des Klimawandels sinkende Wasserdargebot nicht ausreichen, um die angestrebte Fahrwassertiefe von 1,80 Metern überhaupt zu erreichen.“
Quelle: IGB (2020): Ausbaupläne an der Oder – Gefahren für Natur und nachhaltige Nutzung. IGB Policy Brief, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin. DOI: https://dx.doi.org/10.4126/FRL01-006424441
Beispiel sinkender Grundwasserspiegel an der Elbe durch Sohlerosion:
„Daraus folgt, dass auch der erosionsbedingte Verfall des Elbwasserspiegels sich auf das Grundwasser überträgt, so dass sich die Grundwasseroberfläche in Flussnähe entsprechend dem Elbwasserspiegel absenkt. Da sich der Schwerpunkt der Sohlerosion im Lauf der Zeit flussabwärts verlagerte, wird nach und nach auch das Grundwasser der weiter in Richtung Unterstrom gelegenen Bereiche entsprechend beeinflusst.“