Die renommierte Umweltkanzlei Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB hat schwerwiegende Bedenken beim den umstrittenen Plänen zum Ausbau der Oder. Polen startet parallel einseitig den Oderausbau. Ska Keller, Sergey Lagodinsky und Sahra Damus kommentieren.
März 1, 2022 | Oder-Ausbau, Pressemitteilungen
Gutachten: Oder-Ausbau nicht mit EU-Recht vereinbar. Bündnisgrüne: Projekt gehört auf den Prüfstand
Wie ein Gutachten im Auftrag der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament festgestellt hat, verstößt das von polnischer Seite vorangetriebene Vorhaben gegen das Verschlechterungsverbot der EU-Wasserrahmenrichtlinie und ist mit den Vorgaben zum europäischen Gebietsschutz der FFH-Richtlinie nicht vereinbar.
„Das Vorhaben widerspricht auch den Bestimmungen der in der UVP-Richtlinie festgesetzten Anforderungen an Inhalt und Umfang der Umweltverträglichkeitsprüfung und ist mit dem europäischen Artenschutzregime nicht vereinbar.“, heißt es in dem 90-seitigen Rechtsgutachten. Grundsätzlich haben die EU-Umweltrechtsexpertinnen und -experten der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB beim Oderausbau erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens mit europäischem Umweltrecht. „Ausgehend von diesen Mängeln erscheint das Vorhaben in seiner nunmehr genehmigten Form mit EU-Geldern nicht förderfähig“, resümiert die Umweltkanzlei.
Seit Jahren treibt die Republik Polen den Ausbau der Oder voran. Im Laufe des Februars wurden nun sogar erste Baustellen auf polnischer Oderseite eingerichtet. Angeblich soll es um Hochwasserschutz gehen, aber gleichzeitig wurde mehrfach signalisiert, dass der Fluss für Schwerlasttransporte schiffbar gemacht werden soll. Finanziert werden soll das Milliardenprojekt auf polnischer Seite unter anderem durch die Weltbank und die Europäische Kommission. Der von Polen vorangetriebene Ausbau der Oder wird allerdings zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Landwirtschaft, des Klimas, der Biodiversität und des Wasserhaushalts führen.
„Das ganze Projekt gehört auf den Prüfstand. Mit europäischen Geldern finanzierte Maßnahmen dürfen den Europäischen Green Deal und die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 nicht untergraben. Sollten sich die juristischen Zweifel erhärten, darf die EU-Kommission das Vorhaben nicht finanzieren.“, fordert die Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament Ska Keller.
Der stellvertretende Vorsitzende des Rechtsausschusses im Europäischen Parlament Sergey Lagodinskyerklärt: „Hochwasserschutz darf nicht als Vorwand für wirtschaftsgetriebenen Ausbauwahn instrumentalisiert werden, nur weil die EU und Weltbank Projekte zum Hochwasserschutz fördern. Es darf keine Subvention des Güterschiffverkehrs auf Umwegen geben. Polen muss sich an geltendes EU-Recht halten“.
Die Brandenburger Bündnisgrünen sehen sich in ihren Befürchtungen bestätigt. Die Frankfurter Landtagsabgeordnete Sahra Damus weist darauf hin, dass ein vermeintlicher Hochwasserschutz durch den Ausbau der Oder ein Irrweg ist: „Die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung verdient ihren Namen nicht, wenn Widersprüche des Brandenburger Umweltministeriums und der Naturschutzverbände nicht bearbeitet werden und Polen einfach losbaut. Daher sind die Klagen gegen den sofortigen Vollzug richtig – die Bauarbeiten müssen gestoppt werden. Wasser schnell abfließen zu lassen, ist genau der falsche Ansatz: Wir müssen es in der Landschaft halten, damit Böden nicht austrocken. Natürlichen Hochwasserschutz fördern wir hingegen, indem wir dem Fluss wieder mehr Raum geben.“, sagt Damus. Statt eines weiteren Oderausbaus sollten die bereits existierenden Pläne zum Ausbau der Schieneninfrastruktur etwa für die Papierfabrik Leipa in Schwedt forciert werden.
Das von den Brandenburger Europaabgeordneten Ska Keller und Sergey Lagodinsky beauftragte Gutachten kann hier heruntergeladen werden.
Eine Zusammenfassung des Gutachtens kann hier heruntergeladen werden.