In den letzten Jahren haben wir bereits mehrfach hier im Landtag über die Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen gesprochen. Dabei ging es um den Ausbau der Frauenhausplätze, eine ausreichende Betreuung und Beratung der Betroffenen und präventive Maßnahmen. Die Istanbul-Konvention schreibt aber auch Grundsätze für Ermittlungen und Strafverfahren fest. So heißt es dazu etwa: Es sei sicherzustellen, dass Ermittlungen und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt ohne ungerechtfertigte Verzögerung durchgeführt werden. Vor 3 Wochen, Am internationalen Frauentag waren Petra Budke und ich in der Geflüchtetenunterkunft Hohenleipisch, wo 2019 Rita Ojungé, Mutter zweier kleiner Kinder, mutmaßlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel.<--noteaser-->
– Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Liebe Kolleg*innen,
Werte Gäste,
In den letzten Jahren haben wir bereits mehrfach hier im Landtag über die Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen gesprochen. Dabei ging es um den Ausbau der Frauenhausplätze, eine ausreichende Betreuung und Beratung der Betroffenen und präventive Maßnahmen. Die Istanbul-Konvention schreibt aber auch Grundsätze für Ermittlungen und Strafverfahren fest. So heißt es dazu etwa: Es sei sicherzustellen, dass Ermittlungen und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt ohne ungerechtfertigte Verzögerung durchgeführt werden. Vor 3 Wochen, Am internationalen Frauentag waren Petra Budke und ich in der Geflüchtetenunterkunft Hohenleipisch, wo 2019 Rita Ojungé, Mutter zweier kleiner Kinder, mutmaßlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel.Ihre skelettierte Leiche wurde trotz Hinweisen des Lebenspartners und eines der Kinder erst 2 Monate später nur 300m von der Unterkunft entfernt im Wald gefunden. Wir wollen an diesem Fall überparteilich dranbleiben, um aufzuklären, ob tatsächlich, wie es die Istanbul-Konvention verlangt, ohne ungerechtfertigte Verzögerungen ausreichend ermittelt wurde und die Strafverfolgung umfassend erfolgte. Dieses Schlaglicht zeigt: Wir müssen noch an vielen Stellen aktiver und entschlossener die Istanbul-Konvention umsetzen.
Der vorliegende Gesetzentwurf greift nun u.a. den Bereich der polizeilichen Tätigkeit auf. Und dabei will ich gleich zu Beginn nicht verhehlen, dass dies eine sehr schwierige Gratwanderung ist. Einerseits muss Gewalt gegen Frauen konsequent verfolgt werden. Andererseits wird es mit uns Bündnisgrünen keine grundsätzliche Verschärfung des Polizeigesetzes geben, wie der Innenminister sie permanent aufs Tapet bringt. Daher haben wir genau geschaut, welche gezielten und begrenzten Maßnahmen hier möglich sind. Dabei geht es um den schnellstmöglichen Schutz der Betroffenen bis ein zivilrechtlicher Schutz durch gerichtliche Entscheidungen besteht. Der Innenminister schlägt dazu Änderungen im Brandenburgischen Polizeigesetz und im Brandenburgischen Rettungsdienstgesetz vor. Dazu gehören eine elektronische Aufenthaltsüberwachung, die sogenannte „Fußfessel“, die Möglichkeit, einer Wohnungsverweisung und eines Rückkehrverbots, eine polizeilich veranlasste Kontaktaufnahme durch eine Beratungsstelle, die Erteilung von Kontaktbeschränkungen und Verhaltensauflagen. Zudem wird die Möglichkeit geschaffen, dass Rettungskräfte und Notärzt*innen Hinweise zu Verdachtslagen häuslicher Gewalt vertraulich weitergeben können. Insbesondere Maßnahmen zum Schutz der Wohnung des Opfers und Kontakteinschränkungen für den Täter können den von betroffenen Frauen effektiv helfen.
Demgegenüber wurden die ursprünglich enthaltenen „Bodycams“ bei Polizei-Einsätzen in Wohnungen auf Bündnisgrüne Intervention hin gestrichen. Eine deeskalierende Wirkung dieser Kameras ist nicht nachgewiesen. Zudem sind Kameraeinsätze im privaten Wohnraum bei Frauen, die ggf. gerade sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, absolut unangebracht. Betroffene werden oft in sensiblen Situationen angetroffen, möglicherweise leicht oder nicht bekleidet, in akuten Krisensituationen, in der Enge der Wohnung. Viele Frauen scheuen sich, sexualisierte Gewalt überhaupt anzuzeigen und empfinden Scham. Ein Kameraeinsatz verschärft dies nur noch. Eher ist zu befürchten, dass ein Kameraeinsatz zu Abschottung oder einer weiteren Traumatisierung führt. Daher war es richtig, diesen zu streichen. Weiter haben wir große Zweifel daran, ob die elektronische „Fußfessel“ überhaupt schützen kann. Dies wäre nur der Fall, wenn die Überwachung quasi lückenlos ausgewertet wird und die Polizei stets und überall eingriffsbereit wäre. Was bekanntermaßen nicht möglich ist.
Außerdem geht es um viele Detailfragen, zum Beispiel, wie der nicht zu betretende Bereich klar abgegrenzt wird. Und nicht zuletzt geht es um die Problematik, reine Gefährdungsprognosen ohne Verurteilung zur Grundlage einer tief eingreifenden Maßnahme zu machen. Im parlamentarischen Verfahren sollten wir auch den Gesamtblick auf die Istanbulkonvention noch einmal weiten, was uns bspw. fehlt sind eine nicht nur einmalige Kontrolle des Rückkehrverbots, systematische Gefährdungsanalysen, ein Gefahrenmanagement für jeden Vorfall nach Artikel 51 der Istanbul-Konvention oder auch die Pflicht zur Bereitstellung von unabhängigen Dolmetscher*innen für die Opfer im Verfahren gemäß Artikel 56. Hier blicken wir gespannt auf die Anhörung und sind für Nachjustierungen offen. Und auch mit diesem Gesetzentwurf ist es nicht getan. Es braucht mehr Weiterbildungen und Sensibilisierungen für Polizeibeamt*innen, um entsprechende Straftaten besser zu erkennen und einen sensiblen Umgang mit den Betroffenen sicherzustellen. Auch der Datenschutz bei der Zusammenarbeit zwischen Polizei, Rettungsbehörden und Beratungsstellen sollte genauer in den Blick genommen werden.