– Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Gäste,
es fällt mir schwer, bei diesem Thema unsere Erfolge als Koalition zu feiern, denn bei diesem Thema ist einem eben nicht nach Jubelmeldungen. Jeder Akt der Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder und jeder Mord an einer Frau ist einer zu viel. Und ich würde viel dafür geben, wenn wir nicht mehr so prominent im Landtag darüber sprechen müssten. Weil wir es als Gesellschaft geschafft haben, das Problem zu bekämpfen und einzudämmen. Allein: Wir haben es noch nicht geschafft. Übergriffe haben in den letzten Jahren sogar zugenommen. Deswegen ist es leider richtig und notwendig, dem Thema diese Priorität einzuräumen. Heute hier und in der gesamten letzten Wahlperiode. In der Landesregierung und im Landtag. Es begann mit einem Satz im Koalitionsvertrag: „Die Koalition wird Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder entschlossen bekämpfen. [… Die] „Istanbul-Konvention“ [..] ist in Brandenburg umzusetzen. Hierfür ist die Fortschreibung und Umsetzung des ‚LAP gegen Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder‘ unverzichtbar.“ Und wie ist nun unsere Bilanz? Wir haben für den Schutz von Frauen vor Gewalt mehr erreicht als jede andere brandenburgische Landesregierung und jeder vorherige Landtag. Die Verbände sagen uns: Es ist ein Paradigmenwechsel gelungen, es wurden Fortschritte erzielt, für die die Frauen in Brandenburg seit Jahren, teils Jahrzehnten gekämpft haben und die noch vor einiger Zeit nicht vorstellbar schienen.
– Wir haben die Eigenbeiträge von Frauen in Frauenhäusern weitgehend abgeschafft. – Wir haben mehr Plätze in Frauenhäusern geschaffen, darunter auch mehr Familienzimmer und barrierefreie Zimmer – Wir haben das Projekt „Medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung nach einer Vergewaltigung“ von 4 auf 12 Kliniken ausgebaut. – Wir haben dafür gesorgt, dass Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern und den Verbänden endlich tarifgerecht bezahlt werden. – Wir haben eine Koordinierungsstelle im Ministerium eingerichtet, um Maßnahmen aus allen Ressorts ineinandergreifen zu lassen und eine weitere Koordinierungsstelle, die die zivilgesellschaftlichen Akteure koordiniert, Vereine, Träger, Beraterinnen und vieles mehr. – Wir haben mehr Geld für Beratungsstellen, für Präventions- und Mädchenarbeit, aber auch für Täterarbeit eingestellt. – Wir haben die Frauenhäuser finanziell bei der Digitalisierung, bei Energiekostensteigerungen und während der Pandemie unterstützt. – Insgesamt haben wir die Haushaltsmittel um etwa 1 Mio. Euro erhöht.
Das ist das Werk von vielen Engagierten, vor allem Frauen, von den Interessensvertretungen, die dies unermüdlich an uns herangetragen haben, von unserer Frauenministerin Ursula Nonnemacher, die das Thema zu einer ihrer höchsten Prioritäten gemacht hat und von uns hier im Landtag, die das unterstützt haben.
Und trotzdem bleibt viel zu tun. Der Landesaktionsplan enthält eine Vielzahl von Empfehlungen, die Brandenburg noch umsetzen muss, um die Istanbul-Konvention einzuhalten. In diesem Jahr etwa liegt der Fokus auf den Themen Prävention, Fortbildungen und Hochrisikomanagement.
Und auch bei den bereits genannten Erfolgen müssen wir nachlegen:
Darum appelliere an die drei Kreise, die die Frauenhausbeiträge noch nicht abgeschafft haben. Bitte machen Sie davon Gebrauch und beantragen Sie die zusätzlichen Landesmittel. Hier geht es um die Frauenhäuser in Brandenburg, Schwedt und Forst. Frauen sollen nicht auch noch bezahlen müssen, wenn sie Opfer von Gewalt werden und schnell ihre Wohnung verlassen müssen.
Um die Beratung und Prävention zu verbessern braucht es mehr als 2 Stellen zur Koordinierung. Wir wollen sie daher durch 4 Interventionsstellen ergänzen, um die Arbeit in alle Landesteile zu tragen. Ich bitte Sie alle, dies mit dem nächsten Haushalt möglich zu machen.
Beim Ausbau der Frauenhausplätze, muss es schneller gehen. Wir haben uns von 286 in 2019, über 295 in 2022 auf nun 329 in 2024 gesteigert. 574 müssten es laut dem vom Ministerium in Auftrag gegebenen Gutachten aber werden, um den Schlüssel von einem Platz pro 100.000 Einwohner*innen zu erfüllen. Durch das von der ehemaligen Bundesfrauenministerin Giffey initiierte Bauprogramm für Frauenhäuser konnten in Rathenow, Fürstenwalde, Cottbus and Lauchhammer Vorhaben gefördert werden, aber manches war an dem Förderprogramm, so wie es angelegt war, im Endeffekt enttäuschend. Zugesagte Mittel konnten in mehreren Fällen nicht ausgegeben werden. Der Umzug in Neuruppin wird leider vorerst nicht klappen. Ebenso wie der geplante Neubau in Potsdam-Mittelmark als letztem fehlenden Landkreis. Ich hoffe, dass diese und weitere Projekte in absehbarer Zeit trotzdem mit umgesetzt werden können, z.B. aus Mitteln der Städtebauförderung.
Und zu guter Letzt: Bisher gibt es keinen Rechtsanspruch auf Gewaltschutz. Die Ampelkoalition hat einen solchen jedoch im Koalitionsvertrag verankert. Die Eckpunkte für das Gewalthilfegesetz hat Bundesfrauenministerin Lisa Paus Ende 2023 vorgestellt. Es soll einen einheitlichen, individuellen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für alle Betroffenen und ihre Kinder sichern. Damit verbunden soll es erstmals eine Beteiligung des Bundes an der Regelfinanzierung geben. Wie bei vielen Gesetzen auf Bundesebene, ist die Untersetzung im Bundeshaushalt zentral, daher bitte ich den Bundesfinanzminister, das Thema ernst zu nehmen und ausreichend Mittel einzuplanen. Wenn das gelingt, bleibt es dennoch Aufgabe im Land, den Flickenteppich an verschiedenen Finanzierungen – von Kommunen, Kreisen, Trägern, Spenden und künftig dann eben auch dem Bund – möglichst einheitlich und verlässlich zu gestalten. Ein Frauenhausfinanzierungsgesetz wäre dafür eine Möglichkeit. Dies muss dann in einem neuen Landtag diskutiert werden.
Ein neuer Landtag – das ist ein gutes Stichwort für mich, um an dieser Stelle danke zu sagen, für alle, mit denen ich in den letzten 5 Jahren gut zusammenarbeiten konnte. Ganz persönlich möchte ich mich bei meinen Kolleginnen als frauenpolitische Sprecherinnen bedanken, liebe Elske, liebe Kristy, liebe Bettina, liebe Christine. Vor allem, dass Frauen nun nicht mehr für ihren Schutz im Frauenhaus bezahlen müssen – das haben wir als Frauen aus dem Parlament heraus durchgekämpft. Aber auch, dass wir nun stärkere Gleichstellungsbeauftragte in den Städten und Gemeinden haben und dass wir eine Landesverfassung haben, die auch sprachlich nicht mehr „Jedermannsrechte“ definiert, sondern die Rechte von allen. Dafür habt ihr mit gekämpft. Ich danke euch dafür! Und ich wünsche euch und uns weitere solcher Erfolge, so ihr denn wieder Teil des Landtags sein werdet. Vielleicht wird der Frauentag in Brandenburg ja doch noch zum Feiertag! Und ich bedanke mich bei allen solidarischen, um nicht zu sagen feministischen Männern in diesem hohen Haus. Denn, ihr habt es verstanden: Beim Feminismus geht es nicht darum, dass es den Frauen besser geht, sondern dass unsere Gesellschaft damit für alle gerechter wird!