– Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Abgeordnete,
liebe Gäste,
die AfD-Fraktion möchte also heute eine diskriminierungsfreie Sprache an Schulen verbieten. Wie sehr Sprache unser Denken und unser Verhalten beeinflusst, dazu haben sich schon viele geäußert. Dazu sage ich heute nichts, sondern will stattdessen auf Fehlannahme in ihrem Antrag eingehen, die bisher kaum im Fokus stand: Nämlich, dass es die eine, ewig unveränderliche Deutsche Sprache gibt, die wir wie ein Denkmal pflegen und notfalls auch mit Klauen und Zähnen verteidigen müssen. Das kennen wir schon von der AfD, dieses „Mimimi, die Welt soll sich bitte nicht ändern!“ Aber ich muss sie enttäuschen: Sprache ändert sich seit je her. Wir sprechen nicht mehr in 8 Fällen wie im Gotischen. Wir sagen nicht mehr „Weib“, sondern „Frau“. Das Wort Fräulein ist gerade dabei auszusterben, weil es nicht mehr darauf ankommt, ob eine Frau verheiratet ist oder nicht. Sie alle benutzen Wörter wie Handy, Laptop, Computer. Wollen Sie darauf verzichten, nur weil es diese Wörter nicht schon immer gab? Bei der geschlechtergerechten Sprache wollen Sie nun aber den Sprachwandel zurückdrehen. Dann bitte ich Sie allerdings auch, künftig in 8 Fällen zu sprechen, unverheiratete Frauen als Fräulein anzusprechen und das Wort Handys aus ihrem Vokabular zu streichen.
Wie kann man aber etwas regulieren, was sich ständig weiterentwickelt? Und in der Tat, hat das BverfG sich anlässlich der Rechtschreibreform mal mit der Frage befasst, ob der Staat Sprache regulieren darf. Im Allgemeinen darf er das nicht, denn das würde Persönlichkeitsrechte beschneiden. Wenn Sie eine Postkarte in alter Rechtschreibung verfassen, müssen Sie dafür keine Strafe zahlen. Das Gericht hat aber auch festgelegt, dass Sprache im Rahmen der Schule reguliert werden darf, wenn es nämlich um die Leistungsfeststellung geht.
Aber wie wird eigentlich festgelegt, was richtig ist? Der Duden bspw. beobachtet, wie wir als Sprachgemeinschaft sprechen. Sprache ist etwas sehr demokratisches und ökonomisches: Was sich durchsetzt, wird in den Duden aufgenommen. Was wir nicht mehr verwenden, wird aussortiert. Der Duden richtet sich also nach uns. Und wir orientieren uns am Duden. Der Rechtschreibrat hingegen sorgt für eine einheitliche Schreibweise in den Ländern mit Deutsch als Amtssprache. Die Dudenredaktion, selbst Teil des Rechtschreibrats, analysiert Milliarden von Belegen aktueller Sprache. Und sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Stern das am weitesten verbreitete Zeichen beim Gendern ist. Er ist uns bereits als Platzhalterzeichen bekannt, das für verschiedene oder unbekannte Inhalte stehen kann. Daher passt er gut zur Vielfalt der Geschlechter. Der Doppelpunkt ist schwierig, weil er bereits eine andere Bedeutung hat. Und er ist wiederum ein binäres Zeichen, dabei suchen wir doch gerade eine Form, die nicht nur für zwei Geschlechter steht. Er kam auf, weil Vorleseprogramme zunächst besser damit klarkamen. Allerdings arbeiten die Softwarefirmen bereits dran, auch den Stern als Pause lesen zu lassen.
Das zeigt doch nur eins: eine einheitliche, möglichst unmissverständliche Lösung wäre gut. Und das handelt unsere Sprachgemeinschaft – also wir alle – gerade demokratisch aus. Nun kann man beklagen, dass der Rechtschreibrat nicht schneller damit ist, eine Empfehlung auszusprechen. Es ist eben nicht so einfach, dass Deutschland, Österreich, die Schweiz, Italien, Belgien und Liechtenstein sich einigen. Es wäre aber wirklich hilfreich, denn die Realität galoppiert uns gerade zu davon. Es sind keineswegs nur staatliche Stellen, die geschlechtergerecht formulieren. Große Unternehmen wie Audi, Apple, Lufthansa gendern, Verschiedenste Medien, nicht nur die Tagesschau, auch die Brigitte zum Beispiel. Aber alle unterschiedlich. Es geht hier also um Orientierung im Zeichensalat. Der Rechtschreibrat bekräftigt in seiner Pressemitteilung vom März: „…seine Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll.“ Er hat jedoch den Stern,den Unterstrich oder den Doppelpunkt „zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen“. Er bittet sich also mehr Zeit aus, um die Sprachentwicklung zu beobachten. Nun wollen Sie hingegen die Beidnennung vorschreiben – Schülerinnen und Schüler – also. Das ist schon mal ein Fortschritt im Vergleich zur rein männlichen Form. Es freut mich, dass sie diesen Schritt inzwischen gehen. Nur steht dem eben das BVerfG-Urteil von 2017 entgegen, das eine positive Bezeichnung für weitere Geschlechter fordert. Deshalb wird sich unsere Gesellschaft und auch der Rechtschreibrat weiter mit dieser Frage beschäftigen.
Gänzlich abstrus ist allerdings, dass sie auch geschlechtergerechtes Sprechen verbieten wollen. Wir haben keinen Rechtsprechrat, nur einen Rechtschreibrat. Aber weder der, noch der Duden und im Übrigen auch nicht der Staat kann Menschen vorschreiben, wie sie sprechen sollen. Ich stelle mir gerade Ihre Empörung vor, wenn wir so etwas fordern würden. Sie sind doch sonst immer so schnell dabei, einen bevormundenden Staat herbeizureden. Hier wollen Sie ihn selbst haben!
>> Antrag der AfD-Fraktion – Drucksache 7/4206