Januar 23, 2020 | im Landtag, Meine Reden

Meine Rede zum Antrag von vier Fraktionen „Jüdisches Leben in Brandenburg fördern und schützen“

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Parlamentspräsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Am Montag hat sich der Tag der Wannseekonferenz gejährt. Auf dieser Konferenz und den Folgekonferenzen beschlossen Vertreter des nationalsozialistischen Regimes detailgenau, wie sie die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden organisieren wollte. Am Wannsee wurde der industrielle Völkermord präzise geplant. Um dann von einer staatlichen Bürokratie ausgeführt zu werden. 

Eine Überlebende dieses Völkermords, Eva Fahidi, sagte 2015 über ihre Ankunft in Auschwitz-Birkenau: 

„Alles, was mit uns geschah, von dem ersten Atemzug in der von brennenden Leichen stinkenden Luft, bis zum Schlaf auf dem kahlen Boden der halbfertigen Baracken,war mit Herabsetzung verbunden.“

Die Zahl ist noch immer unvorstellbar: mehr als sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden waren es am Ende. Dahinter stehen Millionen von Einzelschicksale unerträglichen und unermesslichen Leids. Symbolhaft für diese Vielen steht heute der Name Auschwitz. Dessen Befreiung durch die rote Armee am 27. Januar jährt sich dieses Jahr zum 75sten Mal. 

Aber auch in anderen Vernichtungslagern wie in Bełżec, Sobibór und Treblinka wurden Millionen Jüdinnen und Juden – vor allem aus Polen – ermordet. Diese östlichen Orte sind heute nur wenig erschlossen und schwer zugänglich. Andrea Löw vom Zentrum für Holocaust-Studien am Münchner Institut für Zeitgeschichte zu Recht jüngst in Erinnerung. 

Am 27. Januar gedenken wir auch den weiteren Opfergruppen, die das Naziregime zu seinen Feinden erklärt hatte. Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, Schwule, Lesben, trans * Personen, Menschen im Widerstand, unterschiedlicher Parteien, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen, Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangene, Menschen, die als „asozial“ bezeichnet wurden oder schlichtweg der Willkür der Nazis ausgesetzt waren. Lange hat es gedauert, bis alle Gruppen als Opfer des Naziregimes anerkannt wurden, und die Debatten dazu gehen weiter.

Wir haben in Brandenburg mehrere authentische Orte, die die Verbrechen der Nazis und das Leiden der Menschen dokumentieren. Es ist und bleibt wichtig, dass wir heute als Landtag bekräftigen: Diese Orte des Gedenkens und der politischen Bildung müssen alle erforderliche Unterstützung erhalten. Denn ihre Arbeit ist heute wichtiger denn je.

Es macht mich fassungslos mit welcher Vehemenz Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Teilen unserer Gesellschaft heute wieder offen, ja ich möchte sagen auch wieder offener demonstriert wird. Es ist unerträglich, dass Übergriffe auf Menschen und Einrichtungen wieder zunehmen. Die aufgeheizte Stimmung in den sozialen Netzwerken und im öffentlichen Raum befeuert dies. Manchmal leider im wahrsten Sinne des Wortes. Die letzten Wahlergebnisse, vor allem in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, zeigen, welch erschreckend hohen Zuspruch Vertreter*innen dieser Menschenfeindlichkeit erhalten.

Mit diesem Antrag sagen wir aber ganz klar: Die Mehrheit des Landtags steht für eine offene Gesellschaft und gegen Hass und Hetze. Wir erklären uns solidarisch mit Menschen, die angegriffen werden, aus Motiven gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder weil sie sich für das Gemeinwesen engagieren, wie jüngst der Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby, auf den beides zutrifft. Den Angriff auf sein Wahlkreisbüro verurteilen wir aufs Schärfste.

Die tödlichen Schüsse von Halle im Oktober, abgefeuert von einem Rechtsextremisten, der am Yom Kippur Festtag einen Massenmord an der jüdischen Gemeinde verüben wollte sind Ausdruck eines aggressiven Antisemitismus, der uns alle alarmiert hat. Wir stehen auch in Brandenburg in der Verantwortung, alle jüdischen Einrichtungen bestmöglich zu schützen. Und dafür müssen wir selbstverständlich auch die notwendigen Mittel zru Verfügung stellen. Und wir sollten uns bereit halten Antisemitismus, egal in welcher Form er uns begegnet, entschieden entgegen zu treten.

75 Jahre nach dem Ende der Shoah sind wir froh, dass Jüdinnen und Juden in Brandenburg leben und ein aktives Gemeindeleben entwickelt haben. Der Wiederaufbau der jüdischen Synagoge in Potsdam ist eine wunderbares Zeichen dafür. Wir unterstützen die Stätten der Rabbiner- und Kantor*innenausbildung an der Uni Potsdam und dem Abraham-Geiger-Kolleg und dem Zacharias Frankel College.

Wir sollten uns heute und hier unmissverständlich bekennen, zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und zu Förderung und Schutz des jüdischen Lebens in Brandenburg Dies tun wir ausdrücklich mit diesem Antrag. Wir bitten um Zustimmung.

>> Antrag „Jüdisches Leben in Brandenburg fördern und schützen“ (pdf-Datei)

>> Video zur parlamentarischen Debate (Quelle: rbb) 

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