Mai 17, 2021 | im Landtag, Meine Reden

Meine Rede zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin,
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin,

liebe Aktive der Queeren Community,
liebe Kolleg*innen, liebe Gäste,

Am 17. Mai 1990 wurde Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation gestrichen. Stellen Sie sich mal vor, noch vor 31 Jahren galt Homosexualität offiziell als Krankheit. Für Transsexualität tritt die Streichung sogar erst 2022 in Kraft. Das zeigt, wie lange Kämpfe für Respekt und Gleichberechtigung oftmals geführt werden müssen. Und der Kampf ist noch immer nicht vorbei.

Zum sechsten mal weht heute am bzw. im Landtag die Regenbogenfahne zum 17. Mai – aus Anlass des Internationalen Tages gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie. Zum ersten mal 2016, als auch der Antrag für einen Aktionsplan Queeres Brandenburg vom Landtag beschlossen wurde, der auf eine Grüne Initiative zurückgeht. Im folgenden Jahr wurde er mit breiter Beteiligung erarbeitet. Bis auf Bayern haben nun alle Bundesländer einen solchen Aktionsplan, Berlin hatte 2009 den Startschuss dazu gegeben. Der Aktionsplan enthält eine Vielzahl von Maßnahmen für Akzeptanz von geschlechtlichen Identitäten und sexueller Vielfalt in allen gesellschaftlichen Bereichen. 
Zu Beginn dieser Legislaturperiode stellte der Trägerwechsel bei der Landeskoordinierungsstelle erst einmal alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Wir ahnten damals nicht, dass eine noch viel größere Herausforderung gleich folgen sollte, und die hieß Corona. Gleich in dreierlei Hinsicht war die Pandemie schwierig für queere Menschen:
Erstens betrifft sie diese ganz unmittelbar: Geschützte Räume mussten schließen. Beratungsangebote verlagerten sich ins Netz. Gerade die, die Unterstützung brauchten, konnten nur schwer erreicht werden – junge Queere im Coming Out, Regenbogenfamilien, und auch queere Geflüchtete. Die Aufklärungsarbeit in Schulen ist nur noch eingeschränkt möglich. Gleichzeitig sehen wir einen Anstieg von queerfeindlichen Straftaten, mehr Mobbing, insbesondere auch im Netz und eine Zunahme populistischer Anfeindungen von queeren Trägern durch rechtsextreme Kräfte. An dieser Stelle meinen ganz herzlichen Dank an alle Träger, die trotz dieser Umstände so eine wertvolle und mutige Arbeit machen.

Zweitens ist leider viel Zeit und Energie von Politik und Verwaltung durch die Pandemiebekämpfung gebunden. Das merken wir in vielen Bereichen. Und – so verständlich das auch ist – es darf nicht dazu führen, dass die Belange von LGBTIQ* ins Hintertreffen geraten.  

Drittens werden wir uns als Folge der Pandemie auch mit finanziellen Auswirkungen befassen müssen. Schon die letzten Haushaltsberatungen waren nicht leicht. Es ist uns gelungen, dass es für LSBTIQ* keine Kürzungen gab. Das klingt banal, aber das war es nicht. Die Beratung für Regenbogenfamilien und für queere Geflüchtete konnten wir sichern, genauso wie das Projekt Bildung unterm Regenbogen. Ich bitte alle parlamentarischen Kolleg*innen, auch beim nächsten Haushalt gemeinsam dafür zu kämpfen. 

Aber nicht alles, was wirksam ist, braucht Geld, sondern vor allem Haltung. Beim Rundfunkstaatsvertrag bin ich zuversichtlich, dass wir bald eine Erweiterung des Rundfunkrats um die Perspektive von LSBTIQ* erreichen können. 

Ich wünsche mir auch eine Weitung des Blicks in der Gedenkarbeit auf die Situation von lesbischen Frauen, Trans* und Inter*Personen in der Nazizeit. Ich finde die Forderung der lesbischen Community unterstützenswert, die sich einen spezifischen Gedenkort für die lesbischen Insassinnen im ehemaligen KZ Ravensbrück wünscht. 

Und es braucht Solidarität für unsere polnisc

hen queeren Nachbar*innen. Im letzten Sommer habe ich mich mit queeren Aktivist*innen aus Zielona Góra und Słubice getroffen. Was sie berichtet haben, hat mir wirklich Angst gemacht. Mit bösen Blicken und Kommentaren bis hin zum Anspucken auf offener Straße und physischer Gewalt, muss man als queere Person in Polen durchaus rechnen. Menschen trauen sich nicht, auf der Arbeit, in der Schule, im öffentlichen Leben ihre sexuelle Orientierung offen zu zeigen, weil sie Benachteiligung und Hass befürchten. Da ist es ist gut, wenn Brandenburger Kommunen Position beziehen gegen sogenannte LGBTIQ*-freie Zonen in ihren polnischen Partnerstädten und wenn wir uns stattdessen zu LGBTIQ*-Freedom-Zones eklären. 

Ich hoffe, dass wir uns ab dem Sommer wieder bei queerpolitischen Veranstaltungen in Präsenz treffen können. Bei der LesBiSchwulen Tour zum Beispiel und natürlich bei den CSDs. 

Ich erinnere mich noch sehr gut an den ersten deutsch-polnischen Pride in Frankfurt und Słubice. Auf polnischer Seite standen wir zahlenmäßig wenigen, dafür aber sehr lauten und vehementen Gegendemonstrant*i

nnen gegenüber, die mit unaufhörlichen Stoßgebeten im Chor ihren Unmut zum Ausdruck brachten. Gleichzeitig kann ich mit Stolz sagen, dass dieser Pride die größte Demonstration in Frankfurt seit der Wende war. Ich lade sie und euch alle ein, am 4. September wieder mit dabei zu sein.
Der CSD in Potsdam wird dieser Jahr – 14 Tage vor der Bundestagswahl – sicher ein sehr politischer sein und viele Forderungen an den Bund stellen. Denn da bleibt noch viel zu tun. 

Der Beschluss für ein modernes Abstammungsrecht ist im Bundesrat auf Antrag von Berlin, Hamburg und Thüringen erst mal vertagt worden. Ich sehe darin die Chance, doch noch Mehrheiten dafür zu finden, dass lesbische Co-Mütter in der Ehe endlich anerkannt werden und nicht den schwierigen 

Weg einer Stiefkind-Adoption gehen müssen. Leider konnte die Bundesregierung sich auch nicht mehr auf die Abschaffung des veralteten Transsexuellengesetzes verständigen. Trans*menschen bleiben damit weiterhin Schikanen ausgesetzt, wenn sie über ihren Geschlechtseintrag selbst bestimmen wollen. Immerhin sind seit wenigen Tagen geschlechtsverändernde Operationen an intersexuellen Kindern endlich verboten. Das hat viel zu lange gedauert und hat viele intersexuelle Menschen nicht vor lebenslangem Leid durch solche Operati

onen bewahren können. 

Wir müssen in Zukunft auch bei allen Gesetzen, die geschlechts-spezifische Regelungen enthalten, neben Frauen und Männern auch Menschen mit dem Geschlechtseintrag divers mitdenken und abbilden. Hier warten wir auf einheitliche Empfehlungen des Bundes für eine Benennung und für die geschlechtergerechte Sprache. Die Hausaufgaben, die uns das Bundesverfassungsgericht mit seinem wegweisenden Urteil 2017 aufgegeben hat

, sind noch nicht erledigt.

Und auch auf eine Änderung von Artikel 3 des Grundgesetzes, der die Benachteiligung aufgrund der sexuellen Identität verbieten würde, warten LSBTIQ* bisher vergebens.

In Brandenburg haben wir schon seit 29 

Jahren eine solche Formulierung in unserer Landesverfassung und waren damit Vorreiter*innen. Wenn wir also heute die Regenbogenfahne im Hof des Landtags hissen, dann heißt das auch, dass wir ein sichtbares Zeichen setzen für das im Land Brandenburg verbürgte Grundrecht auf Selbstbestimmung und Diskriminierungsfreiheit.

 

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