– Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen, werte Gäste,
es ist ein gutes Zeichen, dass der Landtag sich gerade mit so vielen Volksinitiativen befasst. Bürger*innen wollen sich beteiligen. Bisher haben alle Volksinitiativen in dieser Wahlperiode das Quorum erreicht – trotz Pandemie. Eine neue Qualität ist dabei die Suche nach Kompromissen. Bei den Volksinitiativen zur Artenvielfalt gab es einen Dialogprozess, bei der Verkehrswende haben die Initiator*innen am Kompromissantrag mitgearbeitet. Und bei der hier vorliegenden Volksinitiative hat der Kulturausschuss die wichtigsten Forderungen aufgegriffen. Und dennoch heißt es dann oft verkürzt: Landtag lehnt Volksinitiative ab. Um das noch mal vorwegzuschicken: Eine Volksinitiative kann nur unverändert angenommen oder eben abgelehnt werden. Für einen Kompromiss braucht es eine formale Ablehnung und einen zusätzlichen Antrag und genau das haben wir hier gemacht. Liebe Linke, die Volksinitiative startete passend zum Landtagswahlkampf 2019. Das als noch-Regierungspartei zu tun, war schon abenteuerlich, denn Finanzminister Görke hat ja zeitweise selbst die Vergleichsverhandlungen mitgetragen. Aber Schwamm drüber, was zählt, sind schließlich die Inhalte. Und viele Forderungen sind absolut berechtigt. Deswegen haben wir als Koalition unseren Antrag in den Kulturausschuss eingebracht und stimmen heute im Landtag ab.
Dazu nun im Einzelnen: Eine Hauptforderung der Volksinitiative hat sich erledigt, nämlich die zum Wohnrecht. Wie in der Anhörung herausgearbeitet ist dieses verjährt und galt nur für die ersten 3 Generationen ab 1926. Und die Familie Hohenzollern hat inzwischen erklärt, es nicht mehr zu fordern. Das ist und wird also kein Thema sein. Uns war es wichtig, die historische Verantwortung der Hohenzollern für das Erstarken des Nationalsozialismus nicht auszuklammern. Das bedeutet auch, keine nichtöffentlichen Verhandlungen zu führen. Deswegen waren wir Grünen von Anfang gegen einen Vergleich. Denn bei einem Vergleich kommt es unweigerlich zu Rückgaben oder Kompensationen. Und zwar ohne die Frage der Vorschubleistung zu klären. Wir würden möglicherweise aus Steuergeldern erstatten, obwohl die Familie Hohenzollern nicht erstattungsberechtigt ist.
Deswegen haben wir im Antrag verankert: – dass die verbindliche Klärung nur vor Gericht erfolgen kann – dass die historische Verantwortung nicht ausgeblendet wird und – dass wir zum Ausgleichsleistungsgesetzes von 1994 stehen, das keine Kompensation bei Vorschubleistungen für die Nazis vorsieht. Wir bekräftigen außerdem, dass das Land Brandenburg selbst, nämlich das Amt für offene Vermögensfragen, bereits von einer Vorschubleistung ausging und daher den Antrag der Familie Hohenzollern abgelehnt hat. Dagegen läuft ja auch die Klage der Familie.
Wir schließen uns der großen Mehrheit von Historiker*innen an, die das genauso sehen. Die beispiellose Welle von Abmahnungen oder Klagen gegen Historiker*innen und Journalist*innen ist ein unfassbarer Vorgang. Da entsteht ein Klima, indem Presse- und Wissenschaftsfreiheit in Bedrängnis geraten. Und es war bisher unvorstellbar, dass sogar gegen eine Volksinitiative selbst geklagt wird, gegen ein Instrument der direkten Demokratie aus unserer Landesverfassung. Das BVerfG hat die einstweilige Verfügung der Familie Hohenzollern dazu ja auch abgelehnt. Wir sagen in unserem Antrag auch: Die Diskussion um Leihgaben muss getrennt werden von der um die enteigneten Kulturgüter. Die etwa 90 Leihgaben gehören der Familie Hohenzollern unstrittig und werden in unseren Museen gezeigt.
Die deutlich größere Anzahl von Kulturgütern ist aber nicht im Besitz der Familie und hier muss die Würdigkeitsfrage gerichtlich geprüft werden. Also die Frage, ob Kronprinz Wilhelm als damals handelnde Person, den Nationalsozialisten erheblich Vorschub geleistet hat. Ich erinnere noch mal daran: Kronprinz Wilhelm war es, der breit medial zur Wahl Hitlers aufrief. Er war Mitglied der SA. Und er posierte am Tag von Potsdam einträchtig mit der Führungsriege der Nationalsozialisten um Unterstützung für ihre Politik zu signalisieren.
Bei den Leihgaben brauchen wir stattdessen neue Leihverträge – so wie bei allen anderen Leihgaben auch. Und zwar auf Basis (inter-)nationaler Standards, die keinen inhaltlichen Einfluss oder institutionelle Mitsprache vorsehen. Die Leihgaben zeigen einen Teil unserer historischen Identität und ich würde es sehr bedauern, wenn die Familie Hohenzollern diese abzieht. Teil unserer historischen Identität ist aber auch – und das wiegt für mich deutlich schwerer – die klare Abgrenzung gegenüber dem Nationalsozialismus.