Die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock besuchte heute gemeinsam mit der Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur Evelyn Zupke, der Brandenburger Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur Dr. Maria Nooke, der bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Sahra Damus, der Leiterin des Cottbuser Menschenrechtszentrums Heide Schinowsky sowie dem Staatssekretär des Innenministeriums Brandenburg Uwe Schüler das ehemalige Durchgangsheim in Bad Freienwalde. An dem Treffen nahmen auch ehemalige Insassen des von ihnen „Kindergefängnis“ genannten Heimes teil. Heute befindet sich auf dem Gelände das Polizeirevier Bad Freienwalde. Im Andenken legten die Teilnehmer*innen eine weiße Rose an dem 2017 errichteten Mahnmal nieder.
„Auch mehr als 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution bleibt die Aufarbeitung von SED-Unrecht wichtig. Viele der Betroffenen leiden bis heute unter den Folgen und leben viel zu oft in prekärer sozialer Lage. Wir sind verpflichtet, die Opfer zu rehabilitieren und ihre Geschichte zu erzählen“, sagte die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock.
Die SED-Unrechtsbereinigungsgesetze seien „eine große Errungenschaft, die vielen Betroffenen von SED-Unrecht zu Gute kommen“, erklärte die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur Evelyn Zupke in Bad Freienwalde. Verschiedene Studien hätten gezeigt, dass die soziale Lage der SED-Opfer weit unter der der Durchschnittsbevölkerung liege. Zupke mahnte, dass insbesondere die Anerkennung von gesundheitlichen Folgeschäden dringend verbessert werden müsse: „Viele SED-Opfer leiden bis heute unter den gesundheitlichen Spätfolgen der politischen Repressionen. Neben körperlichen Schäden gewinnen psychische Erkrankungen, zunehmend an Bedeutung“, so die Bundesbeauftragte: „Es ist ein wichtiges Signal, dass die Regierungsparteien das Problem erkannt und sich im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt haben, Erleichterungen bei der Beantragung und Bewilligung von Hilfen und Leistungen für Opfer der SED-Diktatur, insbesondere für gesundheitliche Folgeschäden zu ermöglichen. Ich werbe für ein grundsätzlich vereinfachtes Verfahren, damit den Opfern schnell und ausreichend geholfen werden kann “.
Die Brandenburger Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur Dr. Maria Nooke unterstrich: „Aus meiner langjährigen Praxis der Beratung ehemals politisch Verfolgter kann ich einerseits bestätigen, dass die Rehabilitierungsverfahren – insbesondere für ehemalige Heimkinder – sich erheblich verbessert haben. Bei den Anerkennungsverfahren für Gesundheitsschäden gibt es jedoch immer wieder unverständliche Entscheidungen, die die Betroffenen nur unzureichend in den behördlichen Entscheidungsprozess mit einbeziehen und durch die sich die Menschen unverstanden und verletzt fühlen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf,., um den Zugang Betroffener zu Leistungen der Beschädigtenversorgung zu verbessern.“
Die Brandenburger Landtagsabgeordnete Sahra Damus (B90/ Die Grünen) wies zudem darauf hin, dass die Aufarbeitungsarbeit weiter gestärkt werden müsse: „Es war und ist sehr wichtig, dass ehemalige Insassen des DDR-Kindergefängnisses sich für die Errichtung dieses Mahnmals stark gemacht haben. Wer heute in das Polizeirevier geht, wird dadurch an die dunkle Vergangenheit erinnert. Die persönlichen Berichte der Insassen sind schockierend und sehr bewegend. Ich bin froh, dass sie die Kraft gefunden haben, offen darüber zu sprechen und ein Gedenken sowie ihre Rehabilitation einzufordern. Wir sollten sie weiterhin unterstützen. Ich hoffe insbesondere, dass die begleitende Ausstellung bald einen dauerhaften Ort findet“, so die Frankfurter Landtagsabgeordnete.
Auch die Leiterin des Cottbuser Menschenrechtszentrum Heide Schinowsky setzt sich mit ihrem Verein für die Aufklärungsarbeit ein „Seit der Gründung vor über 15 Jahren befasst sich der Verein nicht nur mit dem hier geschehenen Unrecht, sondern blickt bewusst darüber hinaus. Das war und ist den Vereinsmitgliedern sehr wichtig“. Ehemalige politische Häftlinge der DDR gründeten im Oktober 2007 den Verein Menschenrechtszentrum Cottbus e. V. (MRZ), der seit 2011 Eigentümer des ehemaligen Zuchthaus‘ Cottbus ist. Im Zentrum der Arbeit der Gedenkstätte steht die Auseinandersetzung mit politischem Unrecht während der NS- und der SED-Diktatur. Um an das „Kindergefängnis Bad Freienwalde“ zu erinnern, wurde am 3. Oktober 2018 auf dem Gelände des Zuchthaus‘ Cottbus eine große Informationstafel eingeweiht.
Hintergrund „Kindergefängnis“ Bad Freienwalde:
Das frühere Gefängnis in Bad Freienwalde wurde 1968 der Jugendhilfe Frankfurt (Oder) zur Nutzung übergeben. Die DDR-Jugendhilfe machte es dann ohne Umbau, d. h. unter Beibehaltung des Gefängnischarakters, zum Durchgangsheim. Darin sollten Kinder und Jugendliche, die auf einen Heimplatz warteten, für maximal 18 Tage untergebracht werden. Diese Maximaldauer wurde jedoch nur selten eingehalten; viele Insassen waren unter unmenschlichen Bedingungen länger als ein halbes Jahr dort eingesperrt. Kontakte zur Außenwelt gab es nicht. Zudem war das Gebäude von einer hohen Mauer umgeben. Das jüngste eingesperrte Kind war 3 Jahre alt. Seit 2010 widmet sich der Verein „Kindergefängnis Bad Freienwalde e. V.“ der Aufklärung. Seit 2017 steht ein Mahnmal vor dem ehemaligen Kindergefängnis in Bad Freienwalde. Mittlerweile sind viele der ehemaligen Insassen rehabilitiert worden.